Epilepsie bei Katzen: Grundlagen zum Themeneinstieg
Epilepsien bei Katzen gehören zu den häufigsten neurologischen Krankheiten in der Kleintierpraxis. Diese Erkrankungen werden mit einschneidenden Symptomen, fortlaufenden Therapien und Folgen für die Lebensqualität und die Lebensdauer in Verbindung gebracht. Die damit einhergehenden gefühlsmäßigen und wirtschaftlichen Auswirkungen können für die Halter schwerwiegend sein.
Persönliches: Man kann zwar vieles mit Worten umschreiben, aber ich finde es gerade bei Epilepsie wichtig, vorab einen visuellen Eindruck zu bekommen. Insbesondere damit man angemessen mit der Situation umgehen kann. Unsere Katze Philippine und ich wurden nachts von so einer Situation überrumpelt. Ich wusste zum damaligen Zeitpunkt leider nichts über Epilepsie bei Katzen und verfiel in blanke Panik. Die Anfälle von Philippine verliefen übrigens wie im folgenden Video; anfangs sogar mehrmals täglich. Nach der medizinischen Behandlung "nur" noch 3-4 Mal im Jahr. Es wird heute davon ausgegangen, das epileptische Katzen weder Schmerzen noch eine Erinnerung an den Anfall haben. Wichtig ist das alle potenziellen Verletzungsquellen entfernt oder abgesichert werden.
Namensherkunft
Aus griech. epilepsis „das Ergreifen, Anfall“
zu griech. epilambanein „erfassen, befallen, überfallen“
aus griech. epi „auf, über“ und griech. lambanein „erfassen, ergreifen, packen“.
Synonyme
(Zerebrales) Anfallsleiden, Krampfleiden, Fallsucht, epileptischer Anfall, Krankheit der 1000 Namen, autonome Epilepsie, heilige Krankheit, Herakles-Krankheit, herkulische Krankheit, schwere Not, schwere Krankheit, Fallübel, Vergicht, Morbus Sacer, hinfallende Seuche, Fallübel, (St.) Cornelius Seuche, böses Wesen u.v.m.
Auslöser
Epileptische Anfälle werden zumeist durch Geräusche & Lärm, Aufregung & Stress und visuelle Reize ausgelöst. Von modernen Computern und Fernsehgeräten hingegen geht keine Gefahr aus.
Definition von Epilepsie bei Katzen
Epilepsien sind dauerhafte Störungen des Gehirns und gekennzeichnet durch sich wiederholende Anfälle, die unbehandelt zum Tode führen können (Status epilepticus). Ein Anfall wird als ein vorübergehendes Auftreten von Anzeichen, aufgrund abnormaler exzessiver oder synchroner neuronaler Aktivität im Gehirn bezeichnet. Der Anfall dauert in den meisten Fällen nur wenige Minuten. Dabei tritt diese Situation wider erwarten meistens ein, wenn die Katze gerade tief entspannt ist, z. B. im Schlaf oder kurz nach dem Erwachen. Ursächlich hierfür ist die Stimulationsgrenze des Katzengehirns, die in dieser Situation besonders niedrig ist.
Da es viele Ursachen für wiederkehrende Anfälle gibt, ist Epilepsie keine spezifische Krankheit, sondern vielmehr eine Gruppe von verschiedenen Bedingungen. Allerdings steckt nicht hinter jedem Anfall eine Epilepsie. Zum Beispiel kann ein Anfall die Reaktion eines normalen Gehirns auf eine vorübergehende Einwirkung, wie Vergiftung oder Stoffwechselstörung sein (reaktive Anfälle).
Hinweise auf Epilepsie
Plötzlicher & unerwarteter Beginn und Ende eines Anfalls
typisches Verhaltensmuster bei jedem Anfall
unbeabsichtigte körperliche Aktivität und/oder
abweichendes Verhalten und/oder
autonome Anzeichen (Speichelfluss, Urinieren und/oder Defäkation)
weitere Ursachen für einen anfallsartigen "Kollaps"
Schäden in den peripheren Nerven und Muskeln
Schädigungen des Atmungs-, Herz- und Gefäßsystems
Stoffwechselschäden
In einem Großteil der Anfälle bestehen verstärkte Kontraktionen der Muskeln im Zusammenhang mit Bewegungen einzelner Gliedmaßen oder einem Kollaps. Durch diesen Umstand ist es möglich, epileptische Anfälle von anderen unnormalen Verhaltensweisen wie z. B. Synkopen abzugrenzen.
Mögliche Phasen von Epilepsie
Vorboten des Anfalls
- Angst
- Unruhe
- erhöhte Zuneigung
- Rückzug
- Aggressivität oder
- Vokalisierung und schließlich eine Aura, die den Anfall einleitet
Die frühe Phase kann von wenigen Stunden bis zu einigen Tage vor dem Anfall auftreten.
Aura
- erhöhte oder verringerte Aufmerksamkeitssuche
- stereotypisch-sensorisches oder motorisches Verhalten (z. B. lecken)
- unwillkürliche Anzeichen (z. B. Speicheln, Erbrechen, Urinieren)
Die Aura dauert in der Regel nur Sekunden.
Anfall
Epileptische Anfälle können Veränderungen bewirken:
- sensorische, motorische und autonome Aktivität
- Bewusstsein
- emotionaler Zustand
- Gedächtnis
- Wahrnehmung
- Verhalten
Die Ausprägungen eines Anfalls sind plötzlich und vorübergehend und hängen vom jeweiligen Standort des Ausbruchs im Gehirn, dem Muster der Ausbreitung und eine Vielzahl von anderen Faktoren ab.
Nach dem Anfall
- Desorientierung
- aggressives Verhalten
- Unruhe
- tiefer Schlaf
- Hunger & Durst
- Stuhlgang & Urinieren
- Defizite bei der eigenen Körperwahrnehmung & Bewegungsstörungen
- Verminderte oder fehlende Bedrohungsreaktion mit oder ohne tatsächliche Blindheit
Die Phase nach dem Anfall kann Sekunden bis Tage andauern.
Einteilung von Epilepsie
Die Einteilung der Anfälle und Epilepsien ist wichtig, da klinische Symptome und die Ursachen der Anfälle erheblich variieren. Eine standardisierte und einheitliche Klassifizierung von Anfällen und Epilepsie würde die Beständigkeit bei der Verwendung von diagnostischen Bedingungen erlauben, zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Ärzten & Behandlungsmethoden beitragen sowie den Vergleich von klinischen Fällen und wissenschaftlicher Studien erleichtern. Eine allgemein und einheitlich gültige Einteilung gibt es aber leider nicht.
Die Epilepsie wird u. a. durch die ILAE (International League against Epilepsy) in regelmäßigen Abständen neu klassifiziert. Die Klassifizierung wird oft in einschlägiger Fachliteratur verwendet. Ich werde mich bei meinen Texten auf die Einteilung der jeweiligen Quellen beziehen.
Unterscheidung nach dem Grund der Anfälle (ILAE 2017)
Genetisch bisher: idiopathisch
Strukturell, infektiös, metabolisch & immunvermittelt (nur bei Ursache im ZNS ansonsten reaktiver Anfall) bisher: strukturell
Unbekannt bisher: kryptogen
Reaktive Anfälle
Diese Form ist per se keine Epilepsie. Die Anfälle hören auf, sobald die Intoxikation beendet wird. Vereinfacht: Alle anfallsauslösenden Ursachen die außerhalb des ZNS liegen; dazu können z. B. auch Stoffwechselstörungen gehören.
Betrifft sie den ganzen Körper oder Teile davon (ILAE 2017)
Generalisierte Anfälle (ganzer Körper)
Motorisch: tonisch-klonisch, klonisch, tonisch, myoklonisch-tonisch-klonisch, myoklonisch-atonisch, atonische und epileptische Spasmen.
Nicht motorisch: typisch, atypisch, myklonisch und Augenlidmyklonein.
Fokalisierte Anfälle (Teile des Körpers)
Mit erhaltenem oder eingeschränktem Bewusstsein, dem Beginn mit/ohne motorische Symptome oder unbekanntem Beginn sowie der Einteilung von fokal zu bilateral tonisch-klonisch.
Motorisch: Automatismen, atonisch, klonisch, epileptische Spasmen, hyperkinetisch, myoklonisch und tonisch.
Nicht motorisch: autonome Symptome, Verhaltensarrest, kognitiv, emotional und sensorisch.
Die Unbekannten werden in motorische und nicht motorische unterteilt. Hier gelten die motorischen als tonisch-klonisch und epileptische Spasmen. Die nicht motorischen umfassen den Verhaltensarrest. Als letzte Einteilung kommen die Unklassifizierbaren.