Epilepsie bei Katzen: Therapie & Prognose (Grundlagen)
Grundsätze
- Kurzfristige Notfalltherapie von Status epilepticus oder Cluster-Anfällen
- Langzeittherapie der genetischen, unbekannten und strukturellen Epilepsie
- Management von reaktiven Anfällen
Bevor eine langfristige Therapie eingeleitet wird, muss der Tierarzt sicherstellen, dass die Katze Epilepsie hat und nicht eine andere Störung die diese nachahmt. Oberste Priorität hat hierbei die Erkennung der Ursache (oft strukturell) und deren Behandlung. Bei unklarer Ursache kann ebenfalls eine Überprüfung und Behandlung des Bewegungsapparates notwendig sein. Je nach Anschlagen der Therapie kann man schließlich erkennen, ob die Reaktion den Verdacht eher auf Epilepsie oder eine Bewegungsstörung lenkt. Blutuntersuchungen, Serumbiochemie und Urinanalyse sollten vor Beginn der Therapie durchgeführt werden, um mögliche weitere gleichzeitig auftretende Störungen zu ermitteln. Diese beeinflussen die Planung der antiepileptischen Medikation (AEM) und sind bei der zukünftigen Überwachung zu berücksichtigen.
Ziele
- Entscheidung über den Behandlungsbeginn
- Wahl des am besten geeigneten AEM
- Wahl der am besten geeigneten Dosierung
- Wissen über die richtigen Kontrollzeiten der Serum-AEM-Konzentration inkl. entsprechender Dosisanpassung
- Wissen über den Zeitpunkt einer evtl. Einstellung der Behandlung
- Einweisung des Katzenhalters [Medikamente (Verabreichung, Regelmäßigkeit, Dosisänderung) und Vorgehen im Notfall (Status epilepticus – Notfallmedikamente)].
Das bestmögliche Resultat ist natürlich die Beseitigung der Ursache und/oder der Anfallsaktivität. Zumindest aber sollte die Häufigkeit, Schwere, Dauer und Gesamtzahl der Anfälle verringert werden und das Ganze mit max. geringen Nebenwirkungen – das gilt insbesondere für Katzen mit Cluster-Anfällen. Katzen mit unbekannter/genetischer Epilepsie haben selbst bei optimaler Einstellung oft weitere Anfälle. Es gibt einige Hinweise darauf, dass Kater stärker für unbekannte/genetische Epilepsie anfällig sind als Katzen. In einer Studie wurden kastrierte Kater mit dieser Form der Epilepsie nicht so alt wie unkastrierte Kater; ebenso zeigt diese Studie das kastrierte Kater eher zu Cluster-Anfälle neigten. Cluster-Anfälle unabhängig vom Geschlecht hatten einen negativen Einfluss auf die Lebensdauer.
Beginn
- Zwei oder mehr einzelne Anfälle innerhalb von 3 Monaten
- Status epilepticus oder Clusteranfälle – wenn nicht aufgrund von Toxizität oder stoffwechselbedingten Ursachen
- Schwere, anhaltende oder ungewöhnliche Symptome nach einem Anfall wie z. B. Aggression oder Erblindung
- Strukturelle Erkrankung innerhalb des Schädels die als Ursache gilt, Erkrankungen des Vorderhirns oder traumatische Verletzungen
Zum Beginn einer Therapie wird geraten, wenn die Risiken für weitere Anfälle die Risiken der Behandlung überwiegen. Es gibt keine evidenzbasierten Richtlinien für die Einleitung einer antiepileptischen Behandlung bei Katzen. Daher wird diese Entscheidung individuell getroffen, je nach Art, Häufigkeit, Ursache, Gesundheitszustand, möglichen Nebenwirkungen der Therapie, Erfahrung des Arztes sowie der Lebensweise und persönlichen Vorlieben des Katzenhalters. Katzen mit einem einzigen Anfall, provozierten (reaktiven) Anfällen oder einzelnen kurzen Anfällen, die durch lange Zeiträume getrennt sind, benötigen meist keine antiepileptische Behandlung.
Studien legen nahe, dass die frühe Behandlung einer unbekannten/genetischen Epilepsie zu einer besseren langfristigen Anfallskontrolle führt als eine verzögerte Behandlung. Es gibt keine Einigung über den optimalen Zeitpunkt des Behandlungsbeginns basierend auf der Anzahl einzelner generalisierter oder fokaler Anfälle, die in einem bestimmten Zeitrahmen auftreten. Es wurde daher vorgeschlagen die Behandlung zu beginnen, wenn die Anfallshäufigkeit für den Katzenhalter nicht mehr akzeptabel ist. Bei Katzen mit stoffwechselbedingten oder toxischen Störungen ist eine Behandlung evtl. nicht erforderlich, wenn die Grunderkrankung behandelt werden kann. Bei speziellen Störungen kann eine kurz- bis mittelfristige Therapie erforderlich sein, bis die zugrunde liegende Erkrankung dauerhaft korrigiert ist. Die Festlegung einer willkürlichen Anzahl von »akzeptablen« Anfällen pro Monat (z. B. ein Anfall pro Monat) wird von einigen Autoren aus mehreren Gründen nicht empfohlen. Ein Grund ist, dass unbehandelte Anfälle im Laufe der Zeit zu einer erhöhten Anfallshäufigkeit führen können.
Medikamentenwahl
Auch bzgl. der Medikamentenwahl gibt es keine evidenzbasierten Leitlinien bei Katzen. Daher hängt diese von mehreren Punkten ab und muss individuell getroffen werden. Seit dem Bromid 1857 von Sir Charles Locock als Antiepileptika eingeführt wurde, entstanden mehrere Generationen von Medikamenten – eingeteilt in die erste, zweite, dritte und nächste Generation. Daten über die Sicherheit und Wirksamkeit von AEMs können nicht von Menschen auf Katzen hochgerechnet werden. Gründe hierfür sind Unterschiede in der Verstoffwechselung, den Einflüssen denen die Medikamente im Körper unterliegen (Pharmakokinetik) und dem Einfluss die sie im Körper hinterlassen (Pharmakodynamik). Informationen zur Sicherheit, Wirksamkeit und pharmakokinetischen Wechselwirkungen der neuesten Generation sind nur minimal bis gar nicht vorhanden. Einzelne neue AEMs wie Vigabatrin, Lamotrigin, Tiagabin und Oxcarbazepin haben eine unerwünschte Pharmakokinetik.
Eigenschaften des idealen AEM
- hohe dauerhafte Konzentration im systemischen Kreislauf (Bioverfügbarkeit)
- geringe und nicht sättigbare Proteinbindung
- gleichmäßige Pharmakokinetik und Freisetzung ohne Einfluss auf eine bestehende Niereninsuffizienz
- schnelle Hirndurchdringung
- Eliminationshalbwertszeit die eine ein- bis zweimal tägliche Dosierung ermöglicht
- keine Hemmung oder Induktion enzymatischer Biotransformation
- keine oder nur geringe pharmakokinetische Wechsel- und Nebenwirkungen
hohe antiepileptische Wirksamkeit – Verhindern, Unterbrechen oder Umkehren des epileptischen Prozesses oder der krankheitsverändernden Eigenschaften
Derzeit existiert allerdings kein solches Antiepileptika. Die Wirkungsmechanismen umfassen die Modulation der Ionenkanalfunktion, die Verbesserung der hemmenden Neurotransmission und die Dämpfung der erregenden Neurotransmission.
Einflussfaktoren
Medikament
- Sicherheit
- Verträglichkeit
- Wirkmechanismus
- Wirksamkeit
- Verstoffwechselung
- Pharmakokinetik inkl. Wechselwirkungen
- Formulierung
- Häufigkeit der Verabreichung
- Kosten
- Verfügbarkeit
Katze
- Anfallstyp
- Häufigkeit
- Ursache(n)
- Begleiterkrankungen
- weitere Medikamente
- Versicherungsschutz
Halter
- Lebensstil (besteht die Möglichkeit das AEM mehrmals täglich in regelmäßigen Abständen zu verabreichen?)
- Fähigkeit (ist er in der Lage mit möglichen Nebenwirkungen fertig zu werden?)
- finanzielle Umstände (welche Therapien kann er dauerhaft bezahlen?)
Antiepileptische Medikamente (Antikonvulsiva)
Erste Generation (1957-1988)
- Bromid (Kalium/Natrium)
- Carbamazepin (Tegretal, Timonil)
- Clorazepat (Tranxilium, Tranxene)
Diazepam (Valium)
- Ethosuximid (Petnidan, Suxilep)
Lorazepam (Tavor, Tolid)
Midazolam (Dormicum)
- Phenobarbital (Luminal, Luminaletten)
- Phenytoin (Phenydan, Zentropil) – seit 2017 vom Markt
- Primidon (Desoxyphenobarbital)
- Valproinsäure
Zweite Generation (1989-2007)
- Felbamat (Taloxa)
- Gabapentin (Neurontin, Gabax)
- Lamotrigin (Elmendos, Lamictal)
- Levetiracetam (Keppra)
- Oxcarbazepin (Apydan Extent, Trileptal, Timox)
- Pregabalin (Lyrica)
- Tiagabin (Gabitril) – seit 2013 aus wirtschaftlichen Gründen vom deutschen Markt
- Topiramat (Topamax)
- Vigabatrin (Sabril)
- Zonisamid (Zonegran)
Dritte Generation (2008-2009)
Eslicarbazepin (Zebinix, Exalief)
- Lacosamid (Vimpat)
- Rufinamid (Inovelon)
Vierte Generation (2010-?)
- Brivaracetam (Briviact)
Carisbamat (Comfyde) – Hersteller stellte 2010 den Antrag auf Rücknahme des Inverkehrbringens
- Fluorfelbamat
- Imepitoin (Pexion)
- Losigamon
- Remacemid
- Retigabin (Trobalt) – Hersteller hat den Wirkstoff vom Markt genommen, weil ein Zusatznutzen zu den bisherigen Mitteln nicht erkennbar war
- Seletracetam – 2010 wurde die Produktion aufgrund der Untersuchung eines neueren Antiepileptikums (Brivaracetam) eingestellt.
Anmerkungen zur Pharmakotherapie
Die Behandlung sollte bei mehr als einem Anfall in sechs Wochen, bei Clusteranfällen oder im Falle des Status epilepticus erfolgen
Es ist ein bekanntes Phänomen, dass sich die Anfälle bei Behandlungsbeginn zunächst fortsetzen oder verschlimmern können. Aus diesem Grund ist es besser, früher als später damit anzufangen.
Nebenwirkungen von Barbituraten können Sedierung, erhöhte Urinausscheidung und Durstgefühl sowie stark gesteigerte Nahrungsaufnahme sein. Die Sedierung dauert meist 3 bis 5 Tage an, andere Nebenwirkungen verringern sich für gewöhnlich in den ersten Wochen. Es gibt die theoretische Möglichkeit eines Leberschadens – bei Hunden eine bekannte Komplikation, von ansonst gesunden Katzen sind keine Berichte bekannt.
Bei Anwendung von Barbiturat sollten die Blutwerte und Chemieprofile alle 6 Monate überprüft werden – auch weil eine Verringerung der neutrophilen Granulozyten im Blut (Untergruppe weißer Blutkörperchen) und Blutplättchenmangel beschrieben wurden. In seltenen Fällen kommt es bei einer langfristigen Behandlung wegen Enzyminduktion zu einer geringen Zunahme der Alanin-Aminotransferase (ALT) und alkalische Phosphatase (AP).
Nicht bei allen Katzen muss die Behandlung lebenslang erfolgen. Ein spontaner Rückgang der Anfälle ist möglich und eine Reduzierung kann nach Rücksprache mit dem Tierarzt versucht werden. Das gilt nur für Fälle, in denen es zu keinem Anfall innerhalb der letzten Jahre kam. Die Reduzierung sollte behutsam und über einen Zeitraum von 6 bis 8 Monaten erfolgen. Eine schnelle Reduzierung birgt das Risiko für einen erneuten und heftigen Anfall bis hin zum Status epilepticus – im Fall von Barbituraten zusätzlich, weil diese abhängig machen.
Der Vollständigkeitshalber sei an dieser Stelle erwähnt, das es eine Behandlungsform mit Marihuana gibt. Dieses in Gestalt von Droabinol (Marinol) und Nabilon (Cesamet, Canemes). Da ich keine ausreichenden objektiven Studien an Katzen hierzu finden konnte, sei vor dem Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) gewarnt. Marihuana (Cannabis sativa) kann bei Katzen schwerste Nebenwirkungen bis zum Tod hervorrufen und stellt dazu auch preislich keine Alternative dar.
Schlüsselpunkte für einen Erfolg
- Diagnose der Epilepsieform und Ursache
- Zeitpunkt für den Behandlungsbeginn
- Auswahl des bestmöglichen AEMs und Dosierung
- Überwachung und Therapieanpassung
Kenntnis von körperlichen Veränderungen und pharmakokinetischen Wechselwirkungen, die die Pharmakokinetik und Wirkung von AEMs beeinflussen
Gewährleistung der Kommunikation zwischen Halter und Arzt
- Einhaltung des Therapieplans durch den Katzenbesitzer
Die Behandlung beginnt oft mit einem einzelnen Medikament als Monotherapie. Dafür sprechen geringere Kosten, größere Therapietreue, ein kleineres Potenzial von Nebenwirkungen sowie pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Wechselwirkungen. Ausnahmen können bei Kombinationen von AEMs mit langer Halbwertszeit (Bromid) und Medikamenten mit kurzer Halbwertzeit (Levetiracetam) gemacht werden. Da Bromid bei Katzen jedoch schwerste Nebenwirkungen wie Lungenentzündung hervorrufen kann, werde ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen.
Den Erfahrungen einiger Autoren nach halten viele Katzenhalter selbst nur einmal monatlich auftretende Anfälle für nicht für akzeptabel. Ein realistisches Maß für den Erfolg eines antiepileptischen Medikaments ist allerdings eine Reduzierung der Anfallshäufigkeit um mind. 50 % inkl. geringer Nebenwirkungen. Wichtig ist, dass der Halter über die Ziele der Therapie, evtl. Nebenwirkungen sowie die Kosten und den Aufwand informiert wird. Ebenso bedeutend ist das Verständnis über die Lebensnotwendigkeit regelmäßiger Verabreichung sowie das notwendige Verhalten, wenn eine Dosis ausgelassen wurde – im Allgemeinen wird die verpasste Dosis gegeben, sobald der Fehler erkannt wird, die nächste Dosis wird dann wieder planmäßig gegeben. Es kann sehr hilfreich sein, wenn der Halter ein Anfalls-Protokoll führt und ein Video erstellt (Zeitpunkt kurz vor dem Anfall bis kurze Zeit danach).
Unterstützende & ergänzende Therapie
Diese Behandlung wird eingeleitet, wenn eine häufige und starke Krampfaktivität trotz stabiler Serumkonzentration im hohen Referenzbereich vorliegt oder bei dauerhaften unvertretbaren Nebenwirkungen des AEMs. Die korrekte Anwendung jedes AEMs ist wichtig, bevor eine Pharmakoresistenz vermutet und weitere Medikamente verabreicht werden. Bei Katzen mit PB-Monotherapie und schlechter Anfallskontrolle bzw. anhaltenden starken Nebenwirkungen müssen die Serum-Konzentrationen überprüft und gegebenenfalls die Dosierung (Dosis und/oder Intervall) angepasst werden. Für Katzen die gegen PB resistent sind, kann LEV ein sicheres und wirksames Mittel der Wahl sein. Es gibt derzeit nur begrenzt Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Gabapentin (GBP) und Zonisamid (ZNS) – diese und andere neuere Medikamente könnten in Zukunft eine Rolle bei der Anfallsregulierung spielen. Vor dem Aufkommen der neueren AEMs galt Diazepam (DZM) als zweitwichtigstes Mittel der Wahl; seine Verwendung ist jedoch aufgrund von Bedenken bzgl. der Gefahr einer akuten Lebernekrose gesunken – in der Notfallbehandlung spielt es weiterhin eine Rolle.
Behandlungsalternativen
Alternative Therapien kommen dann zum Tragen, wenn ein AEM selbst in niedrigen bis mittleren Dosen schlecht vertragen wird, es zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen kommt oder aber keine Wirkung zeigt. Die Wahl hängt hierbei von der Art der Nebenwirkungen ab. Der AEM-Typ und die Dosierung sollten so gewählt werden, dass eine dauerhafte Serumkonzentration im Referenzbereich schnell erreicht wird, um so das Risiko von Folgekrämpfen zu verringern. IMP, LEV, GBP und PGB erreichen in 1 bis 2 Tagen den Erhaltungszustand, ZNS in etwa 3 bis 4 Tagen. Eine Initialdosis ermöglicht eine schnellere Erreichung des Erhaltungszustands, kann jedoch bei einigen Medikamenten zu starken Nebenwirkungen führen.
Dosierung
Eine Dosierung (Dosis & Intervall) muss individuell angepasst werden. Empfohlene Angaben basieren auf pharmakokinetischen Studien und vereinzelt auf Serum- oder Plasma-Referenzbereichen. Die Pharmakokinetik kann sich je nach Katze, Gesundheitszustand und Rasse aufgrund von Aufnahme, Verteilung, Stoffwechsel und Ausscheidung unterscheiden. Referenzbereiche gelten evtl. nicht für alle Individuen und sind für AEMs der neueren Generation nicht bekannt.
Einzelne und weniger schwere Anfälle
Für gewöhnlich wird die Behandlung am unteren Ende der empfohlenen Erhaltungsdosis begonnen. Diese kann anschließend stufenweise erhöht werden – basierend auf Wirksam- & Verträglichkeit sowie für AEMs der ersten Generation, den Ergebnissen der Serumkonzentrationen. Dieses Vorgehen hilft, die niedrigste effektive Dosis und Serumkonzentration zu finden und erlaubt es der Katze, sich an das Medikament anzupassen – wodurch das Risiko schwerer Nebenwirkungen verringert wird. Der körpereigene Abbau (Autoinduktion) erfordert oft eine Dosiserhöhung in den Wochen bis Monaten nach Therapiebeginn.
Häufige und schwere Anfälle
Betroffenen Katzen sollte eine Initialdosis verabreicht werden. Die Menge die notwendig ist um einen Erhaltungszustand zu erreichen, steigt proportional mit der Halbwertszeit des Einleitungsmedikaments. AEMs, die ihren eigenen Stoffwechsel induzieren, erfordern im Laufe der Zeit eine Anpassung der Dosis und teilw. des Intervalls, um die Serumkonzentration und Anfallskontrolle aufrechtzuerhalten. Bei Katzen mit eingeschränkter Nierenfunktion in Kombination mit einem über die Niere ausgeschiedenen AEM sollte eine Reduktion in Betracht gezogen werden – durch die verminderte Nierenleistung kann es zu erhöhten Konzentrationen inkl. Toxizität kommen. Die therapeutische Überwachung ist hierbei ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Dosisanpassung. Bei Katzen mit akzeptabler Anfallskontrolle aber dauerhaften Nebenwirkungen (Sedierung und Bewegungsstörungen) ist eine schrittweise Reduktion in Betracht zu ziehen. Eine Anpassung kann ebenso bei Medikamentenkombination oder gleichzeitiger Verwendung anderer Medikamente (pharmakokinetische Wechselwirkungen) notwendig sein. Optimale Dosen und Intervalle für einen Großteil von AEMs der neuen Generation wurden noch nicht endgültig festgelegt.
Jedem Medikament sollte ein ausreichender Zeitraum gegeben werden um seine Wirkung entfalten zu können. Antiepileptische Medikamente benötigen oft mehrere Wochen oder länger um eine maximale Wirkung zu erzielen. Zusätzlich kann es mehrere Monate oder länger dauern, bis die Anfallskontrolle vernünftig bewertet werden kann – das gilt insbesondere für Anfälle die durch lange Zeiträume voneinander getrennt sind. Häufige Ursache für eine schlechte Anfallskontrolle ist das Versäumnis, die Dosis vor dem Verwerfen eines Medikaments zu maximieren, was zu der Notwendigkeit führen kann, später ein zweites und aggressiveres Vorgehen zu verfolgen. Dies kann sich schwierig gestalten, denn wenn ein Tierhalter überzeugt ist, dass ein Medikament wirkungslos ist, zögert er oft, einem zweiten Anlauf zuzustimmen.
Therapeutische Überwachung
Grundsätzlich alle 6 bis 12 Monate – um sicherzustellen, dass Änderungen in der Pharmakokinetik oder der Art der Verabreichung nicht dazu geführt haben, dass die Serumkonzentration aus dem vorgesehenen Bereich heraustritt.
- Sobald der Erhaltungszustand erreicht ist – nach Behandlungsbeginn, Dosisänderung oder direkt nach einer Ladedosis
- Bei refraktärer Epilepsie – wenn sich die Anfälle trotz richtiger Dosis nicht kontrollieren lassen. Auf diese Weise kann der Bedarf einer Dosisanpassung ermittelt werden, bevor das Medikament gewechselt oder ein zweites Medikament hinzugefügt wird.
- Sofern Anzeichen einer dosisbedingten Toxizität auftreten – um dementsprechend eine Anpassung der Therapie vorzunehmen.
Das Monitoring sollte durchgeführt werden, sobald das AEM nach Behandlungsbeginn oder einer Dosisänderung den Erhaltungszustand erreicht hat. Die Zeit bis zum Erreichen des Erhaltungszustands hängt von der Eliminationshalbwertszeit/ Plasmahalbwertszeit, der Dosierung und der Kinetik des AEM ab. Im Allgemeinen sollte das klinische Ansprechen auf eine Therapie nicht bewertet werden, bis der Erhaltungszustand erreicht wurde, was bei einigen Katzen bereits früh der Fall sein kann. Erfolgt die Kontrolle nach einer Dosiserhöhung zu früh, besteht die Gefahr das die Serumkonzentration als zu gering eingeschätzt wird – eine erneute Dosiserhöhung kann dann in der Vergiftung der Katze münden.
Der Zeitraum zwischen letzter verabreichter Dosis und der Blutprobenentnahme sollte zum besseren Vergleich immer identisch sein – das gilt insbesondere für AEMs mit einer kurzen Halbwertszeit von max. 12 Stunden. Die Entnahme einer Blutprobe unmittelbar vor der nächsten Dosis macht eine Beurteilung der niedrigsten Konzentration im Dosierungsintervall möglich. Für einige AEMs, wie LEV, sollte ebenfalls die Tageszeit gleich sein, da diesbezüglich Schwankungen der Ausscheidung auftreten können. Bei AEMs mit einer langen Halbwertszeit, ist die Schwankung der Serumkonzentration nach Erreichen des Erhaltungszustands innerhalb des Dosierungsintervalls vernachlässigbar, sodass die Probenentnahme jederzeit durchgeführt werden kann. Wenn der Verdacht auf Toxizität besteht oder eine Überdosierung vorliegt, sollte die Probenahme sowohl bei maximaler als auch bei minimaler Konzentration durchgeführt werden. Die Bestimmung der minimalen und maximalen Konzentrationen des Erhaltungszustandes kann zur Bestimmung der Halbwertszeit und damit zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Änderung des Dosierintervalls genutzt werden – das gilt für AEM mit kurzer Halbwertszeit oder bei Verdacht auf eine verringerte PB-Halbwertszeit.
Nahrung kann die Aufnahme einiger AEM verlängern und die Zeit bis zur maximalen Konzentration verzögern. Daher ist es besser, Serumproben von nüchternen Tieren zu entnehmen. Blutsammelröhrchen zur Serumtrennung, die einen Gerinnungsaktivator enthalten, können die Serum-PB-Konzentration fälschlicherweise verringern, daher sollten nur Standard-Blutsammelröhrchen verwendet werden.
Pharmakokinetische Wechselwirkungen
Das Monitoring sollte grundsätzlich durchgeführt werden, wenn relevante pharmakokinetische Wechselwirkungen zu erwarten sind. Pharmakokinetische Interaktionen beinhalten eine Veränderung der Absorption, Verteilung, des Stoffwechsels oder der Ausscheidung der betroffenen Medikamente. Solche Wechselwirkungen können zwischen AEMs sowie zwischen AEMs und anderen Medikamenten inkl. Antibiotika und pflanzlicher Arzneimittel auftreten. Zu den häufigsten Wirkungen gehören die, die mit der Einleitung oder Hemmung von Enzymen verbunden sind, die am AEM-Metabolismus beteiligt sind. Eine erhöhte Geschwindigkeit des AEM-Metabolismus führt zu einer Verringerung seiner Serumkonzentration und evtl. zu einer verringerten antiepileptischen Wirkung. Eine verringerte Geschwindigkeit des AEM-Metabolismus hingegen führt zu einer Erhöhung der Serumkonzentration und evtl. einer Vergiftung. Wenn eine Wechselwirkung zu erwarten ist, sollte die Konzentrationsmessung vor der Zugabe des neuen Medikaments durchgeführt werden, um einen Ausgangswert festzulegen. Weitere Messungen sollten zu geeigneten Zeitpunkten durchgeführt werden, nachdem das potentiell wechselwirkende Mittel hinzugefügt wurde, um die Notwendigkeit einer Dosisanpassung zu beurteilen (Erhaltungszustand, Verlust der Anfallskontrolle oder vermutete Toxizität).
Krankhafte Zustände
Ereignisse die schwer genug sind um Intensivmedizin zu rechtfertigen, wie z. B. Nieren- und Leberversagen, Infektionskrankheiten, Operationen und Kopftraumata, können die Physiologie so weit verändern, dass AEM-Konzentrationen beeinflusst werden. Darüber hinaus können Medikamente die zur Behandlung verwendet werden Wechselwirkungen verursachen, die ihrerseits die AEM-Konzentrationen beeinflussen. Aus diesen Gründen sollten ebenfalls alle Katzen überwacht werden, die Krankheiten entwickeln, die die Aufnahme, den Stoffwechsel, die Nierenleistung und Proteinbindung verändern können. Das hilft bei der Anpassung der AEM-Dosis, Aufrechterhaltung der Anfallskontrolle und Verhinderung einer Vergiftung.
Ineffektive und schädliche Medikamente
Es gibt mehrere Medikamente der älteren Generation, die bei Menschen verwendet werden. Dazu gehören Phenytoin, Carbamazepin, Valproinsäure und Ethosuximid. Die Giftigkeit dieser Mittel bei Katzen ist entweder bekannt oder sie wird vermutet. Neuere Medikamente, die für den Einsatz bei Hunden vorgeschlagen wurden, sind Vigabatrin, Lamotrigin, Oxcarbazepin und Tiagabin. Ihre kurzen Halbwertszeiten in Kombination mit ihren Kosten machen es jedoch unwahrscheinlich, dass sie nützliche Medikamente zur Behandlung von Anfällen sind. Aufgrund fehlender Toxizitätsdaten wird keines dieser Mittel für Katzen empfohlen.
Refraktäre Epilepsie
Epilepsie ist refraktär, wenn die Lebensqualität der Katze durch häufige oder schwere Anfälle trotz geeigneter medikamentöser Therapie beeinträchtigt wird. Bei Katzen mit vermuteter refraktärer Epilepsie ist es wichtig, nach Diagnose- oder Behandlungsfehlern zu suchen. Zu den Diagnosefehlern gehören das Übersehen von nicht-epileptischen anfallsartigen Störungen sowie ihrer zugrunde liegenden Ursachen. Eine gründliche Anamnese, eine sorgfältige Untersuchung und der Einsatz von zusätzlichen diagnostischen Tests wie Bildgebung und Liquoranalyse helfen solche Fehler zu vermeiden. Der Einsatz unwirksamer Medikamente, falsche Dosierung und Vernachlässigung der regelmäßigen Medikamentengabe sind häufige Behandlungsfehler. Andere Faktoren, die die Wirksamkeit beeinträchtigen können, sollten ebenfalls berücksichtigt werden. So kann bei weiblichen Katzen Östrogen die Anfallsschwelle senken. Die therapeutische Überwachung hilft bei der Identifizierung niedriger Wirkstoff-Serumkonzentrationen, die durch unzureichende Dosierung oder unregelmäßige Verabreichung verursacht werden. Die Überweisung an einen Neurologen sollte in Betracht gezogen werden, wenn die Anfälle nach 3 Monaten sorgfältiger Therapie nicht kontrollierbar sind oder wenn Zweifel an der Diagnose aufkommen.
Behandlungsende & Prognose
Im Allgemeinen bedeutet die Behandlung der genetischen und unbekannten Epilepsie eine lebenslange Medikation. Es wurde aber auch von Katzen mit oder ohne Medikation berichtet deren Anfälle zurückgingen. In Fällen von Anfallsfreiheit in einem Zeitraum von 1 bis 2 Jahren oder länger (je nach vorheriger Anfallshäufigkeit) kann eine langsame Verkleinerung der Dosis über mind. 6 Monate in Betracht gezogen werden. Der Katzenhalter muss sich bewusst sein, dass die Anfälle in dieser Phase jederzeit wiederkehren können. In einer Studie mit 36 Epilepsiekatzen (unbekannte Ursache) traten bei sechs von acht Katzen (86 %) Anfälle auf, bei denen PB nach einem anfallsfreien Jahr reduziert oder abgesetzt wurde. Zwei (24 %) Katzen blieben mehr als 2 Jahre nach dem Absetzen frei von Anfällen. Wenn die Anfälle erneut auftreten, sollte die Nachbehandlung umgehend wieder aufgenommen werden.
Leider ist es aufgrund fehlender Informationen über Risikofaktoren, die mit einem Anfallsrückfall bei Katzen einhergehen, unmöglich vorherzusagen, welche Arzneien erfolgreich abgesetzt werden können. Darüber hinaus ist nicht bekannt, wie schwierig es ist, die Anfallskontrolle bei Katzen nach Reduzierung und erneuten Anfällen wieder herzustellen – ein tödlich verlaufender Status epilepticus kann die Folge sein.