Katzenverhalten: Einflussfaktoren & Schlüsselbereiche

Hauptfaktoren

  • genetische oder vererbte Merkmale

  • gelerntes Verhalten durch frühere Erfahrungen

  • gegenwärtige Situation

Der erste Schritt ist es zu verstehen, warum sich die Katze so verhält und dem Halter zu helfen mit dem Verhalten umzugehen, es zu modifizieren oder zu akzeptieren. Viele Verhaltensweisen, die für die Halter problematisch sind, sind in Wirklichkeit normale Verhaltensweisen. Die meisten Menschen betrachten das Verhalten von Katzen aus menschlicher Sicht und haben somit unrealistische Erwartungen. Dies führt zu Missverständnissen und schlimmstenfalls zum Ende der Bindung zwischen Mensch und Katze. Versuchen Sie deshalb unbedingt die Umgebung ihrer Katze mit »ihren Augen« zu sehen. Halter die die Entwicklung ihrer Katze, ihre Bedürfnisse und die Art & Weise ihrer Kommunikation verstehen, sind besser in der Lage auf bestimmte Probleme zu reagieren. Ebenso wichtig ist, dass alle die mit der Katze Kontakt haben, von Anfang an wissen, welche Eigenschaften gewünscht sind und darauf hinarbeiten. 

Schlüsselbereiche

  • Auswahl

  • Sozialisierung

  • Anregung

Kätzchen sind aus folgenden Gründen und unter den richtigen Voraussetzungen eine gute Wahl

  • oft zugänglich und freundlich

  • haben nichts dagegen hochgehoben zu werden

  • sind nicht deprimiert, wenn sie von ihren Geschwistern getrennt werden

  • haben keine Angst vor Menschen

  • Kontakt mit Pfoten, Kopf oder Körper erfolgt ohne übermäßige Abwehr

Denken Sie aber immer daran, das es für Katzen nicht natürlich ist hochgenommen zu werden. Deshalb sollte dem Kätzchen von Anfang an beigebracht werden, dass das Hochheben etwas Normales ist und hiervon keine Gefahr ausgeht. 

Auswahl

Dazu gehört zunächst die Frage, ob eine Katze überhaupt die richtige Wahl ist. Wer sich durch Haare in der Wohnung, wortwörtlich ätzendem Auswurf auf seinen Teppichen, Kratzen an der Couch, herumfliegendem Katzenstreu, Verabreichung von Medikamenten, krankheitsbedingtem »Fehl«verhalten,  enormen Anschaffungs-, Haltungs- und Tierarztkosten gestört fühlt, wer regelmäßig in den Urlaub fahren möchte, nicht über ausreichend Platz, Geduld, Nachsicht und Interesse an Weiterbildung verfügt, sollte von einer Katzenhaltung Abstand nehmen. In einem späteren Artikel werde ich auf das Thema Urlaub eingehen, denn neuere Erkenntnisse zeigen, das es nicht zum Wohle der Katze gereicht, dieser im Abwesenheitsfalle eine andere Bezugsperson »vorzusetzen«. Von der persönlichen Abwesenheit länger als zwei Tage wird abgeraten, weshalb auch eine Katzenpension nur eine Übergangslösung (z. B. Tod des bisherigen Besitzers) darstellt, weil ein dortiger Aufenthalt ebenfalls zu Verhaltensauffälligkeiten führen kann.

Sofern eine Katze noch als Haustier infrage kommt, gilt es Entscheidungen hinsichtlich Rasse, Geschlecht und Alter zu treffen. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sich das Kätzchen wie vom Halter gewünscht entwickelt, sollte die Auswahl auf Temperament & Gesundheit und nicht auf Aussehen basieren. Studien haben gezeigt, dass das Temperament des Katzenvaters einen großen Einfluss darauf hat, wie das Kätzchen später auf Menschen reagiert. Das bedeutet natürlich nicht, dass das Muttertier keinen Einfluss haben kann, es ist nur einfacher den Einfluss des Vaters zu begrenzen und zu identifizieren. Nach der Paarung hat der Vater keinen Einfluss mehr. 

Es liegen mir allerdings keine Studien vor, die den Einfluss der Mutter beschreiben. Sehr wahrscheinlich ist aber, das ein aufgeschlossenes Muttertier den Kätzchen beibringt sich ebenso zu verhalten. Im Idealfall sollte der zukünftige Halter vorab den Kater, das Muttertier sowie deren Geschwister kennenlernen und mit ihnen interagieren. Zum idealen Zeitpunkt, um ein Kätzchen nach Hause zu bringen, liegen mir je nach Fachliteratur unterschiedliche Daten vor. In einigen Fällen wird der optimale Zeitpunkt nach den ersten Impfungen im Alter von etwa 7–9 Wochen beschrieben. Gleichzeitig wird angemerkt, das Kätzchen die erst nach diesem Alter geholt werden oder in Wohnungen leben, in denen sie nicht unterschiedlichen Situationen ausgesetzt sind, besondere Maßnahmen erfordern, um ihre Sozialisierung zu gewährleisten. In neueren Fachberichten wird vermehrt darauf hingewiesen, Kätzchen nicht vor der 10–12 Woche von der Mutter zu trennen.

Sozialisierung

Damit Katzen mit Menschen zusammenleben können müssen sie sozialisiert werden. Sozialisierung ist ein Lernprozess, bei dem die Katzen lernen die Anwesenheit von anderen Tieren und Menschen zu akzeptieren. Insbesondere in den ersten 4 Lebenswochen ist es wichtig, dass die Kätzchen sozialen Kontakt zum Muttertier haben. Das Ausbleiben einer solchen Beziehung kann eine Vielzahl von verhaltensbedingten, emotionalen und körperlichen Störungen bewirken. Aus Studien ist bekannt, dass Katzen, die während der sensiblen Sozialisierungsphase isoliert wurden, mit größerer Wahrscheinlichkeit hyperaktiv, unsozial und ängstlich sind. Ebenso können selbst einfache assoziative Gedankengänge verlangsamt sein wie z. B. der Standort ihrer Toilette. Bereits der tägliche 20-minütige Umgang mit Kätzchen kann zwar helfen, einen Teil der Stimulation durch die Mutter zu ersetzen – dennoch deuten anekdotische Hinweise bei Handaufzuchten darauf hin, dass es zu Schwierigkeiten bzgl. der Einschätzung von Bisskraft und dem Krallen einziehen kommt. Mangelnde Sozialisierung zeigt sich auch durch unangemessene Reaktionen auf Menschen oder andere Tiere und ist eines der vielen Probleme, die zum Aussetzen führen.

Um sich zu freundlichen und selbstbewussten Katzen zu entwickeln, brauchen die Kätzchen einen regelmäßigen Umgang und müssen während der Sozialisierungsphase vielen neuen Situationen in einer ungefährlichen Art & Weise ausgesetzt werden. Kätzchen, die während dieser Phase nicht die Möglichkeit haben mit Artgenossen und Menschen zu interagieren, können später Aggressionen oder Angstverhalten gegenüber anderen Katzen oder Menschen zeigen.

Anregung

Das Kätzchen muss jagen bzw. »spielen«, Kontakt zu Menschen außerhalb der Familie und Umgang mit Kindern als auch Erwachsenen haben. Durch »Spielen« entwickeln die Kätzchen Vertrauen, lernen Interaktion, Kommunikation & Körpersprache – das Jagdverhalten wird hierbei durch den Zeitpunkt der Entwöhnung beeinflusst. Wenn die Entwicklung normal verläuft, zeigen entwöhnte Kätzchen im Alter von 8 Wochen eine Verringerung der sozialen Jagd und eine Zunahme der objektbezogenen Jagd. Die geistige und körperliche Anregung ist ein wichtiger Aspekt der Gesunderhaltung und des Wohlbefindens von Katzen. Katzen in Wohnungshaltung benötigen eine aktivere Anregung, was bedeutet, dass sie geistig als auch körperlich regelmäßig und ausreichend stimuliert werden müssen.  Um Abwechslung zu bieten, sollten geeignete Spielzeuge und Aktivitäten angeboten werden, die sämtliche Sinne (Seh-, Hör-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn) ansprechen. Übrigens sollte entsprechendes Spielzeug in regelmäßigen Abständen (manchmal täglich) gewechselt werden, denn Katzen verlieren schnell das Interesse daran. Vielleicht muss dem Kätzchen sogar erst einmal beigebracht wie man spielt und anschließend dazu ermutigt werden damit fortzufahren.

Wichtig sind Futterspielzeuge die den Erkundungsdrang und normales Jagdverhalten inkl. aller Sinne stimulieren. Das Verstecken von Trockenfutter an verschiedenen Orten kann sowohl geistige als auch körperliche Anregung bieten. Die Anpflanzung von Katzenminze kann sensorische als auch taktile Stimulation bieten – aber Achtung, Katzenminze führt bei einigen Katzen zu aggressivem Verhalten und von dauerhaftem Zugang wird in verschiedenen Fachliteraturen abgeraten. Solche Pflanzen liefern auch Ballaststoffe und können verhindern, dass sich die Katze potenziell giftigen Zimmerpflanzen zuwendet. Katzenklappen können ein gewisses Maß an Freiheit bieten, indem sie den Zugang zu einem sicheren Außenbereich ermöglichen und die visuellen und olfaktorischen Stimulation fördern.

Die häufigsten Faktoren im Detail

Unerwünschte Verhaltensweisen werden oft gesondert betrachtet, obwohl diesen dieselben Entwicklungsprinzipien zugrunde liegen, die für erwünschtes Verhalten verantwortlich sind. Wichtig bzgl. der Interpretation ist also die Berücksichtigung normaler Verhaltensweisen als auch die individuell erlernten Reaktionen. Die meisten unerwünschten Verhaltensweisen sind im Grunde normale Reaktionen auf die Umwelt in der sich die Katzen befinden. Halter suchen oft Hilfe, weil Verhaltensweisen mit ihrer Lebensweise nicht vereinbar sind – hervorgerufen durch unangemessene Reize in einem unangemessenen Kontext oder in einer unerträglichen Intensität. In vielen Fällen hat ein solches Verhalten als normale Reaktion begonnen und wird versehentlich verstärkt. Ein Großteil der Verhaltensprobleme entsteht auch dadurch, dass ein Halter das natürliche Verhalten seiner Katze nicht versteht. Oft unterschätzen Halter wie viel geistige und körperliche Stimulation Katzen benötigen, insbesondere wenn sie in einer Wohnung gehalten werden. Das Auftreten vieler Probleme wird dadurch beeinflusst, dass die Katzen keine Gelegenheit haben normales artspezifisches Verhalten auszuüben.

Weitere Faktoren die zur Entwicklung von unerwünschtem Verhalten beitragen

  • Grenzen des innerartlichen Sozialverhaltens 

  • Unterschiede in der Sozialisationserfahrung

  • Rasse und individuelle Unterschiede

  • Fähigkeit zur natürlichen Verhaltensreaktion 

  • individuelle gelernte Erfahrungen

Relative Sozialisationserfahrung

Erfahrungen in den Wochen unmittelbar nach der Geburt eines Kätzchens haben einen tief greifenden Einfluss auf das Auftreten angstbestimmter Verhaltensweisen. Die meisten Erkenntnisse über die Sozialisierung beziehen sich auf die Erfahrungen die Jungkatzen mit Menschen machen müssen, damit sie auch als Erwachsenen den Umgang mit Ihnen akzeptieren.

  • Früher Menschenkontakt

    Wenn der Kontakt mit Menschen vor dem Alter von 8 Wochen auf ein bestimmtes Geschlecht oder Alter beschränkt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass später Ängste vor Menschen auftreten, die nicht diesen Gruppen angehören. 

  • Vermeidung alles Unbekannten

    Eine der wohl häufigsten Folgen einer begrenzten Sozialisation ist die Vermeidung alles Unbekannten. Obwohl solche Fälle in Notfallkliniken selten zu sehen sind, scheint die Vermeidung von Kontakt mit Besuchern aus den bereits erwähnten Gründen weit verbreitet zu sein. Es wird berichtet, dass viele Katzen »verschwinden« wenn Besucher ins Haus kommen, auch wenn nur sehr wenige Halter dies als Problem ansehen. 

     

  • Angst vor Menschen

    Katzen, die Angst vor ihren Haltern haben, werden häufiger in Kliniken vorgestellt. Es handelt sich oft um Tiere, die in ihrer frühen lernfördernden Phase wenig oder gar keine Erfahrung mit dem Menschen gemacht haben, weil sie z. B. Bauernhofkätzchen waren. 

  • Aggressivität gegenüber Menschen

    Katzen können aggressives Verhalten gegenüber Menschen zeigen – was auf eine begrenzte Sozialisierung zurückzuführen ist. Aggression tritt als alternative Strategie zur Vermeidungshaltung auf, wenn versucht wird einen erwarteten negativen Ausgang zu verhindern. Im Allgemeinen neigen Katzen allerdings dazu, Bedrohungen zu vermeiden, indem sie sich zurückziehen, verstecken oder auf hohe Gegenstände klettern. Aggression wird als defensive Strategie eingesetzt, wenn andere Verhaltensweisen nicht erfolgreich sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Halter ihrer Katze – obwohl sie verängstigt ist – nachlaufen und versuchen mit ihr zu interagieren. Sobald eine Katze gelernt hat, dass Aggression eine effektive Strategie ist, um Menschen fernzuhalten, wird sie selbstbewusster im Ausdruck dieses Verhaltens. Genau aus diesen Gründen können Katzen auch bei ähnlichen Situationen scheinbar unangemessene Aggressionen zeigen, indem sie Menschen »angreifen« oder das Verhalten zeigen, sobald sie eine bestimmte Person wahrnehmen. Es ist daher sehr wichtig, dass Katzen die in beengten Umgebungen untergebracht sind Rückzugsmöglichkeiten haben, um die Entwicklung von Aggressionen in diesem Zusammenhang zu vermeiden. 

  • Soziale Toleranz gegenüber Artgenossen 

    Obwohl mir nur wenige Daten vorliegen, wie sozialer Umgang gegenüber Artgenossen erlernt wird, ist es wahrscheinlich, dass dies ähnlich erfolgt wie gegenüber Menschen.  Toleranz gegenüber Artgenossen kann durch frühe positive Erfahrungen verbessert werden. Eine Katze die in ihrer Vergangenheit wiederholt von anderen Katze angegriffen wurde, wird sich zukünftig generell in der Nähe von Artgenossen bedroht fühlen. 

  • Erziehung & Gewohnheiten bzgl. der Toilette

    Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Ausbildung der Neigung für den Toilettenstandort – Vorlieben für bestimmte Substrate verfestigen sich in den ersten Lebenswochen. Bei den Kätzchen erfolgt eine Assoziation zwischen dem Toilettengang und dem Material unter ihren Pfoten. Wie bei anderen Assoziationen die in dieser Phase entstehen, wird dies oft das Verhalten während des gesamten Katzenlebens beeinflussen. Wenn Züchter beispielsweise eine bestimmte Art von Einstreu verwenden, erkennen Kätzchen andere Substrate später evtl. nicht als Toilette. Wahrscheinlich aus diesem Grund haben handaufgezogene Kätzchen manchmal die Neigung ihre Notdurft auf weichem Mobiliar zu verrichten. Züchter neigen dazu Kätzchen in einem Tuch zu halten, während sie den Miktionsreflex (das übliche Verhalten der Mutter) stimulieren – das weckt eine Assoziation zwischen Toilette und weichen Materialien.

    Unabhängig von der während der Kinderzeit gebildeten Vorlieben können sich die Neigungen natürlich auch aus anderen Gründen bei erwachsenen Katzen ändern. Daher ist es sinnvoll Sorte bzw. Art des Einstreu nur schrittweise zu wechseln. Wenn eine Katze über einen längeren Zeitraum an einem ungeeigneten Ort wie z. B. einem Teppich ihre Notdurft verrichtet hat, kann sie eine Vorliebe für diese Oberfläche bilden, was die Lösung des Problems erschwert.

Gleiche erlernte Verhaltensweisen aber verschiedene individuelle Reaktionen

Erlernte Verhaltensweisen spielen eine wichtige Rolle bei fast allen unerwünschten Reaktionen. Obwohl Sozialisationserfahrungen zu einer allgemeinen Akzeptanz menschlichen Kontakts führen, bestimmt letztendlich die individuelle Erfahrung beim ersten Halterkontakt, ob die Katze dies als Bedrohung wahrnimmt und entsprechend reagiert. Natürlich verändern auch Erfahrungen während des weiteren Lebens die Art und Weise wie eine Katze auf ihre Umwelt reagiert. Genau diese Fähigkeit neue Assoziationen zu erlernen, bildet die Basis für Programme zur Verhaltensänderung und in vielen Fällen wird die Sozialisation durch spätere Erfahrungen verstärkt. Eine Katze die aufgrund begrenzter Sozialisation misstrauisch gegenüber Menschen ist, wird sich vermutlich nähernden Menschen entziehen. Wenn durch diese Strategie die vermutete Bedrohung erfolgreich abgewendet werden kann, wird die Reaktion verstärkt und zukünftig noch eher eingesetzt. In einigen Fällen beruhen die Angstreaktionen jedoch alleine auf spezifischen aversiven Erfahrungen. Diese Verhaltensweisen werden also verstärkt, sobald es der Katzen gelingt das aversive Ereignis durch ihr Verhalten zu vermeiden. Durch assoziatives Lernen wird die Katze darüber hinaus auch allgemein stärker für aversive Ereignisse sensibilisiert, sodass sich ihre Reizschwelle absenkt und sich die Vermeidungsreaktion auf ähnliche Reize verallgemeinern kann.

Katzen die menschliche Aufmerksamkeit schätzen, lernen Verhaltensweisen anzunehmen, die erforderlich sind, um ihr Ziel zu erreichen. Eine Katze merkt schnell, dass das umherstolzieren auf Regalen und das anstupsen von Gegenständen eine effektive Methode ist, um eine Interaktion mit ihrem Halter zu erreichen. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie sich das Verhalten individuell im Laufe des Lebens entwickeln kann. 

Harnmarkieren entsteht oft als erste Reaktion auf die Nähe von sozial »unverträglichen« Artgenossen – dieses Verhalten kann modifiziert werden. Häufigkeit & Ort des Harnmarkierens können sich sowohl abhängig von der Reaktion des Halters als auch der darauffolgenden Reaktion der Katze ändern. Da Halter dieses Verhalten als unerwünscht einstufen, werden viele betroffene Katzen bestraft, indem sie angeschrien oder verjagt werden. Durch diese negative Reaktion lernt ein Großteil der Katzen folgerichtig nur in Abwesenheit des Halters zu markieren – die Folge sind weitere Bestrafungen. Andere Katzen irritiert insbesondere die scheinbare Unberechenbarkeit ihres Halters, denn sie verstehen nicht den Grund für die Bestrafung. Da Harnmarkieren im Kontext zu Situationen entsteht, in denen erhöhte Wachsamkeit erforderlich ist (Territorialverhalten), werden Katzen tlw. das Verhalten dazu verwenden, um ihre Halter oder alles was nach ihnen riecht, als Gefahr einzustufen und entsprechend zu markieren. Leider gehen viele Halter anthropomorphisch davon aus, dass dieses Verhalten rachsüchtig oder boshaft ist was zu einer Bestrafung und damit zu einer verängstigten Katze führt. Hierdurch steigt wiederum die Rate des Harnmarkierens überproportional an. Mögliche Folge ist auch das die Katze die Reaktion ihres Halters nicht als Bestrafung sieht, sondern sogar als Bestärkung empfindet – ein Verhalten, das gelegentlich bei aufmerksamkeitssuchenden Katzen vorkommt. In den genannten Fällen wird also das Harn markieren durch den Halter unbewusst verstärkt. Aus diesen Gründen ist es umso wichtiger zu verstehen wie Katzen die Folgen ihrer Handlungen wahrnehmen und ihre erlernten Verhaltensstrategien zu (er)kennen. 

Kombination: Fehlende Voraussetzungen & falsche Konditionierung

Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Entwicklung von unerwünschtem Verhalten ist das Ausmaß, in dem Katzen in der Lage sind, ein normales Verhalten zu zeigen. Erstaunlicherweise scheint das Ausmaß, indem Einschränkungen bzgl. der Aktivität, sozialer Interaktion und dem Jagdverhalten toleriert werden vom jeweiligen Menschen, der Persönlichkeit der Katze, als auch von früheren Erfahrungen abhängig zu sein. 

Auch Freigängerkatzen die zu Wohnungskatzen wurden zeigen kein einheitliches »Bild«, sondern scheinen in ihrer Akzeptanz unterschiedlich zu sein – obwohl anekdotische Hinweise darauf hindeuten, dass frühere Freigänger eher zu frustrationsassoziierten Reaktionen auf räumliche Einschränkungen neigen. Die Toleranz gegenüber räumlichen Einschränkungen hängt insbesondere davon ab, inwieweit die Halter in der Lage sind das Umfeld zu bereichern. Hierzu zählen u. a. das »Spielen« zur Jagdsimulation und Klettermöglichkeiten auf mehreren Ebenen. Die Fähigkeit Jagdverhalten/räuberisches Verhalten zu zeigen scheint für Katzen besonders wichtig zu sein. Eine eingeschränkte Möglichkeit diese Art von Verhalten zu zeigen, kann zu Frustration und damit zu unerwünschtem Verhalten inkl. Aggression führen. Dementsprechend entwickeln Katzen unangemessene Raubtier-/Spielaggressionen gegenüber Haltern meist dort, wo diese Verhaltensmuster beim Kätzchen fehlgeleitet werden. Darüber hinaus ist Jagdverhalten von Jungtieren wichtig für die Entwicklung der motorischen Reaktionen, die für räuberisches Verhalten erforderlich sind. In der Natur richtet sich dieses zunächst auf leblose Gegenstände, wird aber später von der Mutter auf Beutegegenstände umgelenkt, die sie zum Nest zurückbringt – die Kätzchen werden also dementsprechend konditioniert.

In der häuslichen Umgebung neigen die Halter dazu, mit ihren Kätzchen zu spielen, indem sie mit den Fingern wackeln oder die Füße unter der Bettdecke bewegen. Obwohl dies bei einem Kätzchen relativ harmlos ist, kann es schließlich bei der erwachsenen Katze zu unangebrachter Spielaggression führen, die sich nun dauerhaft auf Hände oder Füße richtet. Typisch für dieses Verhalten ist auch das überraschende Hervorspringen der Katzen, sobald ihr Halter vorbeigeht sowie das Angreifen von Füßen oder Beinen. Die typische Halterreaktion – schreien, wegziehen oder weglaufen wird zukünftige Reaktionen der Katze verstärken – genauso wie in der Natur die Bewegung und das Quietschen einer Maus zu weiteren Angriffen ermutigen würden. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der zu unerwünschtem Verhalten führen kann, sind die Verhaltensmuster bzgl. der Katzentoilette. Das kann der Fall sein, wenn die Toiletten weit entfernt aufgestellt werden und/oder schlecht erreichbar sind. Ebenfalls kann es zu Verhaltensänderungen kommen, wenn die Toilette nicht mehr den Anforderungen der Katze (geschützter Platz & geeignetes Einstreu) Rechnung trägt. Da Katzen sehr anspruchsvoll sind, was ihre Ausscheidungsgewohnheit angeht, kann eine unzureichend gereinigte Toilette ein weiterer Grund dafür sein, das die Katze sich einen alternativen Standort sucht. Sogar das Gegenteil kann der Fall sein, denn zum Teil werden sie durch den Geruch einer Toilette angezogen – weshalb stark riechende Reiniger oder Duft-Katzenstreu (Babypuder, Frühling, etc.) ebenfalls Probleme verursachen und vermieden werden sollten.