Toxoplasmose: Immunologie & Immunität bei Katzen & Menschen

Im folgenden Text werden u. a. fünf Begriffe vorkommen, deren Definitionen Sie kennen sollten.

 

  • Immunität steht für die Fähigkeit des Abwehrsystems eines Körpers, auf das Eindringen eines Erreger in den Körper entsprechend reagieren zu können und diesen auszuschalten (Immunantwort).

  • Immunbiologie ist ein Teilgebiet der Immunologie. Diese beschäftigt sich mit angeborener oder erworbener Immunität und entsprechenden Abwehrreaktionen eines Körpers.

  • Immunevasion bezeichnet die Fähigkeit eines Krankheitserregers, durch spezielle Tricks wie Mutation, der Immunabwehr zu entgehen.

  • Immunpathologie wird der Bereich der Medizin bezeichnet, der sich mit der gestörten Immunabwehr befasst. Dazu gehören angeborene oder erworbene Störungen des Immunsystems, Autoimmunerkrankungen & Überempfindlichkeitsreaktionen.

Immunität gegen Toxoplasma gondii beim End- & Zwischenwirt Katze

Es gibt nur eingeschränkte Möglichkeiten zur experimentellen Forschung, mit dem im Darm von Katzen vorkommenden Toxoplasmen. Das ist der Grund, warum der Lebenszyklus von T. gondii immunologisch gesehen nur wenig erforscht ist. Da die Toxoplasmen mit den Eimerien verwandt sind, geht man davon aus, dass diese Immunität durch ähnliche Mechanismen verursacht wird wie bei Eimeria-Infektionen. Beide Parasiten gehören zur Ordnung der Kokzidien.

Katzen entwickeln im Verlauf der Infektion mit Toxo meist einen dauerhaften Schutz. Diese Immunität kann das Ausscheiden von Oozysten bei weiteren Infektionen unterbinden. Bei Folgeinfektionen werden nur wenige oder keine Oozysten mehr ausgeschieden. Trotzdem kommt es bei vereinzelten Individuen nach wenigen Monaten ohne eine Folgeinfektion zu einer sich wiederholenden Ausscheidung von Oozysten (re-shedding). Davon ist rund jede zehnte Katze betroffen. Die Gründe für das erneute Auftreten sind unbekannt. 

Immunität gegen Toxoplasma beim Zwischen- & Fehlwirt Mensch

Die Immunbiologie von Zwischenwirten ist dank ergänzender Informationen aus Nagetiermodellen gut erforscht. Das kommt insbesondere den Toxoplasmosepatienten zugute. Der Ursprung der Immunabwehr gegen Toxoplasma liegt im Zusammenspiel von angeborenen und erworbenen Immunantworten. Angeborene Immunantworten veranlassen in der akuten Phase der Infektion eine Eindämmung und haben Einfluss auf den Verlauf der erworbenen Immunantworten, die wiederum kritisch sind für die Erhaltung eines Langzeitschutzes.

Die Reaktion des Immunsystems auf eine erstmalige Infektion bewirkt im Zwischenwirt ein Ende der Vermehrung und Verteilung von Tachyzoiten im Blut. Eine große Bedeutung haben T-Zellen und TH1-Typ-Zytokine, insbesondere IFN-γ, diese sind zuständig für Zellwachstum & Zelltod. Für den hohen Stellenwert der zellulären Immunabwehr sprechen neben Ergebnissen von Tierversuchen auch Erfahrungen mit Menschen, deren Immunabwehr stark geschwächt ist. Der Eindringling befindet sich nun als Zystenform im Körper, kann aber dieses Stadium bei den Meisten nicht verlassen. In ihrer Eigenschaft als Zyste bewirken sie keine oder nur geringe Symptome. Der Grund dafür ist, dass die dauerhafte Auseinandersetzung zwischen Immunsystem und Parasit eine Pattsituation hervorruft.

Im Detail: Durch das Auseinanderbrechen der Zysten und die unmittelbare Ausbreitung werden fortlaufend Bradyzoiten frei. Diese Bradyzoiten verwandeln sich zu Tachyzoiten, die wiederum vom Immunsystem abgefangen werden. Durch diesen stetigen Kampf mit den Toxoplasmen wird die Immunität beibehalten. Das bewirkt einen Schutz der Wirte gegen Superinfektionen und ein Erstarken der Parasiten.

Aus diesem Grund sind werdende Mütter, die vor der Schwangerschaft eine Toxoplasmainfektion durchgemacht haben und deshalb Gewebszysten aufweisen, zumeist gut gegen eine Folgeinfektion geschützt und der Fetus ist nicht gefährdet.

Risikogruppen Aids- & Transplantationspatienten

 

Bei einer Beeinträchtigung der Immunität können sich Tachyzoiten ungehemmt vermehren und eine Wiederaufnahme der aktiven Infektion in Gang setzen. Dieser Vorgang tritt z. B. bei AIDS-Patienten ein, bei denen die Anzahl der T-Helferzellen (CD4+) auf 200 pro Mikroliter sinkt. Eine Schwächung des Immunsystems mündet oft in schweren Erkrankungen. Dazu gehören die Gehirntoxoplasmose (Reaktivierung) und die systemische Erstinfektion. Bei der Hirntoxoplasmose kommt es zur Zerstörung des Gehirns. Erschwerend kommt zum Teil eine Beteiligung anderer Organe hinzu und endet unbehandelt mit dem Tod des Erkrankten. Mehr als 30 % der AIDS-Patienten ereilt ohne antiretro-virale Therapie bzw. fehlende Vorsorge durch Antiparasitika eine Reaktivierung ihrer Infektion. 

Gefährdet sind ebenfalls Transplantationspatienten, denn bei ihnen wird das Immunsystem künstlich heruntergefahren. Dadurch kann es relativ schnell zu einer Reaktivierung der Toxoplasmose oder einer symptomatisch verlaufenden Erstinfektion kommen. Ursache ist dafür meist das infizierte Spenderorgan. Die Infektion zeigt dann oft das Bild einer Septikämie. Mit dem Begriff Septikämie wird das Streuen von Bakterien aus einem Krankheitsherd in die Blutbahn beschrieben (Sepsis). 

Immunität gegen Toxoplasmen bei den Zwischenwirten Maus & Schaf

 

Bei Mäusen sind die Vorgänge während einer Infektion besonders gut erforscht. Der erstmalige Kontakt zwischen Parasit & Wirt erfolgt im Darmepithel und der davon unterhalb befindlichen Bindegewebeschicht (Lamina propria).

Die scheinbar erste Reaktion kommt von Abwehrzellen des Immunsystems (dendritische Zellen) & Makrophagen (Fresszellen) mit ihren Toll-like-Rezeptoren (TLRs). Diese Rezeptoren erkennen pathogen-molekulare Muster (PAMPs). Auf ihrer Suche entdecken die Abwehrzellen Erregerstrukturen, die bei Säugetieren nicht vorkommen.

Daraufhin produziert das körpereigene Immunsystem IL-12 (Interleukin) und Tumornekrosefaktor (TNF)-α. Diese regen ihrerseits natürliche Killerzellen (NK) zur Herstellung von Interferon (IF)-γ an. Damit wird eine Umgebung geschaffen, in dem T-Helferzellen in die entzündungsfördernde Th1-Richtung (Subgruppe der T-Helferzellen) polarisiert werden. Sie produzieren dann nach Markierung und damit Offenlegung der Erreger Interferon (IFN)-γ. Interferongamma befähigt Zellen auf verschiedene Arten zur Unschädlichmachung von intrazellulären Parasiten.

Infizierte Makrophagen können anscheinend nach Zytokinaktivierung (Interleukin) ihre innerzellulären Feinde durch die Produktion von Stickstoffmonoxid und reaktiven Sauerstoffprodukten abtöten. Bei Zelltypen, die kein oder nur geringe Mengen Stickstoffmonoxid bilden können, trägt die starke Abnahme von Tryptophan (Aminosäure) & Eisen, zur Abwehr bei. Diese Gegenwehr durch Th1-Mechanismen leitet die Umwandlung von Tachyzoiten zu Bradyzoiten ein. Durch die Bildung von Gewebszysten ist die aktive Phase der Infektion beendet. Mäuse mit einer andauernden Infektion mit Toxoplasmen sind durch ihre stetigen Antworten der T-Zellen vor Folgeinfektionen sicher. Anders verhält es sich bei Mäusen mit einem geschwächten Immunsystem. Bei ihnen erfolgt keine Bildung von Gewebszysten. Das führt zu einer ungebremsten Vermehrung der Tachyzoiten, die im Tod der Tiere endet.

Immunisierung bei Mäusen & Impfung bei Schafen

Bei Mäusen kann teilweise ein Schutz gegen Toxoplasma durch die Immunisierung mit unterschiedlichen gezüchteten Einzelproteinen erreicht werden. Dabei werden Proteine von Mikronemen, Rhoptrien, dichten Granula und der Parasitenoberfläche eingesetzt. Die maximale Absicherung mit über 96 % Verminderung der Anzahl von Zysten im Gehirn konnte aber durch Impfung mit genetisch abgeschwächten Parasiten erzielt werden. Bei diesen Parasiten wurden die Eiweiße Mic1 und Mic3 eliminiert.

Für Schafe existiert ein T.-gondii-Lebendimpfstoff auf der Basis eines abgeschwächten Stammes. Dieser ist nicht mehr in der Lage Zysten zu bilden, kann sich nur für eine kurze Zeitspanne & begrenzt vermehren und trotzdem eine schützende Immunantwort einleiten. Diese Impfung schützt vor Fehlgeburten für mindestens 1,5 Jahre.

Immunevasion beim Menschen

Die Art des Eindringens in die Wirtszelle und der Aufbau der parasitophoren Vakuole bei mit Toxoplasmainfizierten Zellen sind ausschlaggebende Bestandteile für das Überleben der Parasiten. Eine besonders raffinierte Eigenschaft der Vakuole ist ihre „Fusionsinkompetenz“. Denn sie verschmilzt nicht mit Lysosomen - Lysosomen helfen bei dem Abbau körperfremder Stoffe - Damit ist T. gondii bei einer Infektion von Fresszellen (Phagozyten) nicht deren Verdauungsenzymen ausgesetzt. Der Infektionsmodus der Parasiten bewirkt auch, dass diese Fresszellen nicht aktiviert werden. Das hat zur Folge, das keine Herstellung von reaktivem Sauerstoff erfolgt.

Werden hingegen durch Antikörper markierte Tachyzoiten von Makrophagen (Fresszellen) aufgenommen, erfolgt eine Aktivierung der Phagozyten und die zellinternen Parasiten werden durch reaktive Sauerstoffprodukte und Verdauungsenzyme ausgeschaltet. T. gondii benötigt für seine Existenz eine lebende und kernhaltige Zelle. Dadurch ist er im Prinzip durch zellzerstörende T-Zellen gefährdet, die Verbindungen aus Aminosäuren (Peptide) im Kontext mit MHC-I-Molekülen erkennen - MHC steht dabei für Major Histocompatibility Complex (Haupthistokompatibilitätskomplex) - Obwohl die Membran der Vakuole wie ein Sieb funktioniert und dadurch Peptide der Parasiten keinen Eingang in den MHC-I-Präsentationsweg finden dürften, wurde in bestimmten Situationen eine Eliminierung durch zytotoxische T-Zellen gezeigt.

Als Schutz gegen solche Mechanismen wird die Besiedlung von Neuronen aufgefasst, die wenig oder kein MHC-I exprimieren. Wie auch andere intrazelluläre Krankheitserreger erschwert T. gondii die Anwesenheit von Antigenen im Zusammenhang mit MHC-II. Die Wirkung beruht auf einer Herabsetzung des Signaltransduktionsweges, der nach IFN-γ-Aktivierung normalerweise zur Hochregulation der MHC-II-Expression führt.

Immunevasion bei Mäusen

Dass T. gondii trotz starker Reaktionen des Immunsystems in seiner Wirtszelle überlebt, hat seine Ursache in reichlich vorhandenen Mechanismen der Immunevasion.

  • Toxoplasma blockiert u. a. den NF-κB-Signaltransduktionsweg, der zur Bildung von IL-12 und TNF-α führt. Dadurch wird die Bildung von Antworten des Immunsystems gebremst.

  • Die Parasiten hemmen auch die Signalkaskaden, welche die Wirtszelle nach IFN-γ-Stimulation aktivieren. Zum einen werden dadurch Effektormechanismen herabgesetzt (z. B. die Produktion von Stickstoffmonoxid), zum Anderen wird die Anwesenheit von Antigenen durch MHC I und MHC II vermindert. T. gondii unterbindet so die Identifizierung betroffener Zellen durch zytotoxische T-Zellen & die Einleitung von Reaktionen der T-Helferzellen.

  • Darüber hinaus beeinflussen die Parasiten in Fresszellen (Makrophagen) die Herstellung von Interleukin (IL)-10 (Botenstoff) & TGF-β (transformierender Wachstumsfaktor) sowie anderer Vermittler, die Entzündungsantworten unterbinden. Gleichzeitig hat der Befall mit Toxoplasmen eine Unterdrückung des programmierten Zelltods zur Folge, sodass infizierte Zellen länger überleben.

Immunpathologie bei Maus & Mensch

Bei Infektionen mit Toxo ist die Immunpathologie bedingt durch entzündungsfördernde Reaktionen. Diese können sich in der Eintrittspforte des Erregers im Darm manifestieren. Dort führt eine Überproduktion von IFN-γ, TNF-α & Stickstoffmonoxid teilweise zu Nekrosen. So stellt es sich zumindest im Mausmodell da.

Ebenso erfolgen bei der Reaktivierung von Gehirnzysten, verursacht durch den fehlenden Druck von Stickstoffmonoxid gegen die Tachyzoiten, entzündungsfördernde Antworten. Diese führen ihrerseits zu lokalen Gewebeschäden. Bei einer Verletzung von Gefäßen & Blutungen ergeben sich weitere Auswirkungen. Dadurch können aus vereinzelten schließlich weitläufige nekrotische Herde entstehen.

Frauen die sich während der Schwangerschaft erstmalig infizieren und vereinzelt auch "normale" Patienten können eine Schädigung der Augen erleiden. Der Grund dafür ist die Parasitenvermehrung. Menschen mit angeborener Toxoplasmose haben oft eine sehr niedrige Rate von T-Zell-Antworten gegen T.-gondii-Antigene. Das wird auf eine Toleranz im Mutterleib zurückgeführt. Anscheinend können sie deshalb die Erreger nicht effektiv unter Kontrolle halten, sodass diese sich im immun privilegierten Gewebe des Augenhintergrundes vermehren und dadurch Entzündungen verursachen, die im weiteren Verlauf zur Erblindung führen können.