Vergiftungen bei Katzen – Atemwege & Bewegungsapparat

 

Die Inhalationstoxikologie bezieht sich auf Giftstoffe, die durch die Luft aufgenommen werden (pulmonal) - damit bezieht sich die pulmonale Toxizität also auf Substanzen, die für die Lunge toxisch sind. Vergiftungen der Lunge erfolgen am häufigsten durch das Einatmen, einige Gifte sind auch in der Lage Schäden über einen anderen Expositionsweg zu verursachen (z. B. Paraquat beim Verschlucken). Darüber hinaus sind bestimmte eingeatmete Gifte in der Lage Schäden in anderen Bereichen der Atemwege wie der Nasenhöhle oder den Atemwegen auszulösen. Katzen können entweder mit der Nase oder mit dem Mund atmen. Als aktiv jagende Tiere verfügen sie über Luftwege mit größerem Durchmesser, um so den zusätzlichen erforderlichen Luftstrom aufzunehmen. 

Anatomie & Physiologie

Anatomie der Atemwege

Die Nasenlöcher sind die äußeren Öffnungen in der Nasenhöhle. Die Nasenlöcher führen in die Nasenhöhle, die größtenteils mit den Nasenmuscheln ausgefüllt ist, die die eingeatmete Luft befeuchten und erwärmen sowie größere Partikel ausfiltern. Die Nasenhöhle ist mit Flimmerepithel und Riechepithel ausgekleidet. Luft strömt durch die Nasenhöhle in den Nasen-Rachen-Raum (Nasopharynx). Der Nasen-Rachen-Raum ist mit pseudo-mehrreihig-säulenförmigem Epithel mit einzelligen Drüsen (Becherzellen) ausgekleidet. Die eustachischen Röhren (Ohrtrompeten) erstrecken sich vom Mittelohr bis zur Nasenhöhle. 

Die Atemwege leiten sich aus Luftröhre (Trachea), Luft leitenden Anteilen der Lunge (Bronchien) und zunehmend kleineren Ästen des Bronchialsystems (Bronchiolen) ab, je tiefer man den Atemwegen Richtung Lunge folgt. Die Enden der Bronchiolen führen zu den Lungenbläschen (Alveolen), wo ein Gasaustausch mit dem Blut stattfindet. Mit Ausnahme der Lungenbläschen sind alle Atemwege mit frei beweglichen Zellfortsätzen dem Flimmerepithel (Zilien) und den o. a. Epithelzellen ausgekleidet, wobei einige mit Becherzellen durchsetzt sind. Der durch diese Drüsen abgesonderte Schleim umschließt inhalierte Partikel und die Zilienbewegung (Zilienschlag) der Flimmerhärchen befördert ihn nach oben in Richtung Rachen (Pharynx), wo sie ausgehustet oder geschluckt werden. Zum wichtigsten einschichtigen Epithel, das die Lungenbläschen auskleidet, gehört der Typ II Pneumozyten (alveoläre Epithelien). Diese bilden eine oberflächenaktive Substanz/Schicht, halten die Lungenbläschen funktionsfähig und deren Oberflächenspannung aufrecht. Die überhöhte Freisetzung von Serumproteinen überschwemmt die Lungenbläschen - was zu Flüssigkeitsansammlungen (Ödemen) führt, die Tensidfunktion reduziert und die Lungenbläschen zusammenkleben lässt (Atelektase).

Ablagerung von inhalierten Partikeln

Inhalierte Partikel mit einem Durchmesser von > 5 Mikrometern lagern sich im Nasen-Rachen-Raum und in den größeren Atemwegen ab. Kleinere Partikel werden in die tieferen Atemwege und in die Lungenbläschen transportiert. Die in Bronchiolen ausgelagerten Partikel werden durch Fresszellen (Makrophagen) des Bronchialsystems aufgenommen, die über das Flimmerepithel (mukoziliäre Clearance) in den Rachen gelangen - während diejenigen, die in die Lungenbläschen eintreten, durch Fresszellen der Lunge entfernt und im Zwischenraum/Bindegewebe (Interstitium) oder in lokalen Lymphknoten isoliert werden.

Auswirkungen

Atemweggifte können ihre schädlichen Wirkungen auf verschiedene Weise ausüben. Ein Erstickungstod droht, wenn Gase wie Methan, Kohlendioxid und Stickstoff Sauerstoff in der unmittelbaren Umgebung verdrängen, was zu Sauerstoffmangel in Gewebe (Hypoxie) & Blut (Hypoxämie) führt. Gase, die den Sauerstofftransport im Blut oder die Sauerstoffabgabe im Gewebe stören, wie Cyanid oder Kohlenmonooxid, verursachen entsprechend Erstickungsgefahr. Viele inhalierte Giftstoffe üben ihre Wirkung durch Reizung der Atemwegsschleimhaut aus, was zu einer Schädigung des Epithels der Atemwege, führt. Das Einatmen von Reizstoffen kann zum Verlust der Innenauskleidung der Lunge (Mukosazellen) und zum Abbau der Schutzbarrieren (Flimmerepithel) in den Atemwegen führen. Reizstoffe, die die Lungenbläschen erreichen, können das Lungenbläschenepithel schädigen, was zu einer Herabsetzung der Oberflächenspannung innerhalb der Bläschen und einem kollabierten Lungenabschnitt- oder flügel (Atelektase) führt. In schweren Fällen kann eine Nekrose der Lungenbläschenzellen zum Austritt von Serum oder Blut in die Lungenbläschen und in die unteren Atemwege führen. Der Verlust der Lungenbläschen Oberfläche führt zu vermindertem Sauerstoffaustausch und Sauerstoffmangel im Gewebe.

Einige Giftstoffe dringen auch über das Blut in die Lunge ein und können dort die feinen Kapillaren der Lungenbläschen schädigen, was zu einer nicht herzbedingten Flüssigkeitsansammlung (Lungenödem) führt. Andere aus dem Blut übertragende Gifte verursachen Schäden an den Epithelzellen der Lungenbläschen. Solche Verletzungen des Lungenbläschenepithels oder der inneren kapillaren Zellschicht der Lungenbläschen können erst Stunden nach dem toxischen Angriff deutlich werden - ein durch Vergiftung verursachtes Lungenödem kann bis zu 24 Stunden später auftreten.

Atemweggifte

  • Verdrängung von Sauerstoff dadurch Erstickung - Kohlendioxid, Methan, Erdgas, Stickstoffgas

  • ausbleibender Sauerstofftransport - Kohlenmonooxid, Cyanid

  • Atemwegsreizung - Ammoniak, Chlorphosphin (Zink / Aluminiumphosphid)

  • erhöhte Sekretion der Bronchien - Anticholinesterase-Insektizide, Muskarinische Pilze (Clitocybe, Inocybe)

  • Pneumonie, Aspiration - Kohlenwasserstoffe, durch ärztliche Einwirkung (z. B. Barium, Aktivkohle)

  • Lungenödem - Chlor, Cisplatin (Zytostatika), Paraquat, Phosphorwasserstoff/Phosphin (Insektizid), Zink, Aluminiumphosphid (Insektizid & Rodentizid), Kiefernöl, Sulflurylfluorid (Insektizid)

  • Lungenfibrose – Paraquat

Heilungsmöglichkeiten & Prognose

erhöhte Zellvermehrung (epitheliale Hyperplasie)

Die Heilung durch erhöhte Zellvermehrung ist recht häufig der normale Verlauf nach kleineren Lungenschäden. Bei den Kleinsten dieser Schäden ist die Zellvermehrung so erfolgreich, dass das Gewebe völlig normal erscheint. Die Funktion liegt ebenfalls im Normbereich, so das kein tierärztliches Eingreifen erforderlich ist.

krankhafte Vermehrung von Bindegewebszellen & Kollagenfasern (Fibrose)

Die Heilung der Lungenfibrose kann abhängig vom Grad der Schädigung entweder reversibel oder irreversibel sein. Wenn die Lungenverletzung zu intensiv ist oder zu lange andauert, um spontan zu heilen (z. B. bei hohen Paraquat-Mengen), versuchen Bindegewebszellen (Fibroblasten), die durch den Tod der Pneumozyten (Alveolarepithelzellen) verursachte Lücke zu füllen. Die Fibroblastenwucherung beeinträchtigt den Gasaustausch, wodurch ein Teil des Lungenvolumens weniger funktionsfähig ist als üblich. Bei minimalen bis mäßigen Veränderungen der Lungenstruktur kann die Lunge spontan heilen. Wenn größere Veränderungen an der Lungenstruktur als Reaktion auf einen hohen Grad an Lungenbläschenschäden stattfanden, kann die Fibrose irreversibel werden und dichte fibröse Narben bilden. Die klinische Auswirkung dieser Änderung hängt von der Menge des Lungengewebes ab, das verloren geht. Im Fall von Paraquat ist die Lungenschädigung fortschreitend, und der Patient erstickt letztlich am Sauerstoffmangel im Blut, da fibröses Bindegewebe funktionelles Lungengewebe ersetzt.

krankhafte Aufblähung (Emphysem)

Mit dem Begriff Emphysem wird ein vergrößerter Luftraum mit einhergehender Gewebezerstörung definiert. Der Verlust der durchlässigen Gasaustauschmembran (permeable Membran) - insbesondere der Lungenbläschenkapillarmembran - bewirkt eine Verringerung des Gasaustauschbereichs. Wenn die Lungenbläschen kollabieren, dehnen sich die Lufträume unregelmäßig aus, und die Möglichkeit, Luft anzusammeln, steigt. Dies macht es schwierig, genug Luft zum Austausch zu bekommen (Atemnot/Dyspnoe - manchmal als "Lufthunger" bezeichnet). In diesen Lungenbläschen findet ein minimaler bis kein Luftaustausch statt. Es ist noch schwieriger, die Luft aus den ausgebreiteten Lungenbläschen zu entfernen. Das Emphysem ist in der Regel ein fortschreitender, letztendlich endloser Zustand, da sich der Zustand der Atemwege immer weiter verschlechtert.

Lungenkrebs

Rund 80 % - 90 % aller Lungentumore bei Menschen sind auf das Einatmen von Zigarettenrauch zurückzuführen. Haustiere, die über längere Zeit mit ihren Besitzern zusammenleben sind ebenfalls gefährdet. Spontane Lungentumore bei Haustieren sind hingegen viel seltener.

Bewegungsapparat | Muskeln & Skelett 

Der Bewegungsapparat besteht aus Knochen, Gelenken und Skelettmuskeln. Knochen und Gelenke werden zuverlässig von den Auswirkungen akuter toxischer Einflüsse verschont, und die meisten Veränderungen beruhen auf einer chronischen Aussetzung gegenüber Giften. Giftstoffe, die sich auf Knochen oder Knorpel auswirken, können ihre Bildung oder ihren Umbau verändern. Der Skelettmuskel ähnelt in Struktur und Funktion dem Herzmuskel (Myokard), und viele Gifte, die den Herzmuskel beeinflussen, wirken sich auch auf die Skelettmuskelzellen aus. Toxine der Skelettmuskulatur können die neuromuskuläre Wirkung verändern, die biochemischen Prozesse von Muskelfasern beeinflussen oder direkte Muskelfaserdegeneration oder -nekrose bewirken. 

  • Veränderung der Knorpelbildung - Fluoroquinalone (z. B. Enrofloxacin) bei wachsenden Tieren

  • Muskelzittern, sichtbare Muskelzuckungen (Faszikulationen) - Tremorgene Mykotoxine (Hunde sind häufiger betroffen), (konzentrierte) Pyrethroide - insbesondere bei Katzen